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Mit kleinen Schritten nach vorne gehen

„Mich hat nichts interessiert. Ich hatte keine Lust, irgendetwas zu unternehmen oder irgendwen zu sehen. Ich mochte mich auch selbst überhaupt nicht mehr.“ Die 17-jährige Nele (*Name geändert) war zehn Wochen lang Patientin auf unserer DBT-Station (Dialektisch Behaviorale Therapie) A20. Im Interview erzählt sie, welche Herausforderungen der Aufenthalt für sie bedeutete, was ihr besonders geholfen hat und welchen Tipp sie Kindern und Jugendlichen geben würde, die Angst vor einem Klinikaufenthalt haben.

Möchtest Du zuerst ein wenig von dir erzählen? Zum Beispiel, davon, wer du bist, welche Eigenschaft dich auszeichnet oder was Du gerne in deiner Freizeit machst?

Mein Name ist Nele (*Name geändert) und ich bin 17 Jahre alt. Welche Eigenschaft mich auszeichnet? Ich weiß nicht genau, ich denke, mein Humor? In meiner Freizeit treffe ich mich mit Freunden, ich zocke gerne und lese viel, vor allem Romane oder Fantasy-Geschichten.

Du warst zehn Wochen lang Patientin auf der DBT-Station A20. Aus welchem Grund warst Du in der Klinik?

Ich hatte eine schwere depressive Episode. Mir fehlte jegliche Motivation, ich konnte mich zu nichts aufraffen. Mich hat nichts interessiert. Ich hatte keine Lust, irgendetwas zu unternehmen oder irgendwen zu sehen. Ich mochte mich auch selbst überhaupt nicht mehr. Irgendwann war mir klar, dass ich da nicht alleine rauskomme. Daher habe ich mich dann bewusst für den Klinikaufenthalt entschieden.

Wie war die Anfangszeit in der Klinik für Dich?

Ich kannte die Klinik schon von einem früheren Aufenthalt. Dennoch musste ich mich in den ersten Tagen erst einmal einfinden und mich an die neuen Strukturen auf der Station, die Leute und das Umfeld gewöhnen.

Was war für Dich die größte Herausforderung dabei?

Der Kontakt zu den anderen Patient:innen. Ich bin anfangs eher zurückhaltend und hab mich ständig gefragt:  Was könnten die anderen von mir denken? Daher habe ich mich total zurückgezogen. Ich hatte Angst, etwas falsch zu machen.

Was hat dir bei dieser Herausforderung geholfen?

Ich war mit einer anderen Patientin auf einem Doppelzimmer. Zuerst hat mir das überhaupt nicht gefallen. Wir haben uns aber gut verstanden und so kam ich dann nach und nach besser klar. Auch das Team auf der Station besteht aus coolen Leuten, die einem dabei helfen, sich zurechtzufinden.

Im Rahmen des Klinikaufenthaltes hast du am DBT-Programm, der dialektisch-behavioralen Therapie teilgenommen. Worum geht es dabei?

Es geht darum, Strategien zu lernen, um die eigenen Emotionen besser zu regulieren – ohne sich selbst zu verletzen.

Was hat Dir im Rahmen des DBT-Programms besonders geholfen?

Besonders gut fand ich das Skills-Training. Das findet zwei Mal in der Woche auf der Station statt. Skills sind Fertigkeiten, die man in Situationen anwenden kann, in denen man angespannt ist. Eine Übung heißt zum Beispiel „Held des Alltags“. Da stelle ich mir dann eine Person vor und überlege, wie diese in der Situation reagieren würde. Das kann eine Person sein, die ich besonders schätze oder eine Romanfigur, ganz egal. Hauptsache, sie steht mit beiden Beinen im Leben, ist aber nicht zu perfekt. Perfekt ist schließlich niemand. Das hilft dann, eine Distanz zu den eigenen unangenehmen Gefühlen zu schaffen. Auch die Therapiegespräche haben mir geholfen, obwohl es mir anfangs schwerfiel, mich zu öffnen. Von den Fachtherapien mochte ich die Tiergestützte Therapie am liebsten, da ich Tiere sehr gerne mag.

Das klingt, als wären die Tage alles andere als langweilig gewesen.

Mit den Therapien, Fachtherapien, Skills-Gruppen und dem Schulunterricht hatte ich definitiv keine Langeweile. Dazu kommen die Skills-Wochenprotokolle, Gefühlstabellen und Anspannungskurven, die alle Patient:innen regelmäßig schreiben oder zeichnen. Mir hat es aber sehr geholfen, mich mit meinen Emotionen intensiv zu beschäftigen.

Du hast die Klinik vor einer Woche verlassen. Hat sich etwas für Dich verändert?

Ich habe das Gefühl, dass ich ein großes Stück weitergekommen bin. Ich bin dieses Mal mit einer ganz anderen Motivation hergekommen und wollte unbedingt etwas verändern. Ich habe neue Erfahrungen gesammelt, mich weiterentwickelt und viel Neues gelernt. Es geht mir nun besser.

Was wünschst Du dir nun für die nächste Zeit?

Ich möchte weiter an mir arbeiten und das anwenden, was ich in der Klinik gelernt habe. Ich gehe auch weiter ambulant zur Therapie. Wichtig ist mir nun, wieder eine Tagesstruktur zu finden. Ein Schritt nach dem anderen. Ich weiß aber, dass ich auf einem guten Weg bin.

Was würdest Du anderen Kindern und Jugendlichen raten, die Angst vor einem Klinikaufenthalt haben?

Man kann von so einem Klinikaufenthalt wirklich profitieren – wichtig ist, sich helfen lassen zu wollen und sich auf die Therapien einzulassen. Man sollte sich aber auch nicht zu viel Druck machen und kleine Erfolge zu schätzen wissen. Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, sollte man nicht zu enttäuscht von sich selbst sein, sondern es noch einmal probieren.

Grafik mit dem Text: Erfahrungsbericht einer ehemaligen Patientin der Station A20