Kreativität hat viele Facetten
Anne Katrin Schmitter und Elvira Bondarenko haben vor einem halben Jahr gemeinsam angefangen, als Ergotherapeutinnen an der LWL-Universitätsklinik Hamm zu arbeiten. Im Interview erzählen die beiden, worum es in der Ergotherapie geht, warum sie sich für diese Arbeit entschieden haben und warum „kreativ sein“ für sie nicht immer unbedingt etwas mit Malen und Zeichnen zu tun hat.
Ergotherapie – was ist das eigentlich?
Elvira B.: Das ist gar nicht so einfach zu sagen, da die Ergotherapie sehr breit gefächert ist. Es gibt ganz unterschiedliche Bereiche und Fachrichtungen. Allgemein gesagt, geht es darum, Menschen zu begleiten, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind.
Anne Katrin S.: Ziel ist es, dass der Behandelte zum Handelnden wird. Die Patienten lernen demnach, selbstständig, eigenständig und alltagsorientiert zu handeln. Wir versuchen den Patientinnen und Patienten, in unserem Fall den Kindern und Jugendlichen, möglichst viel an Fertigkeiten und Fähigkeiten mitzugeben.
Wie laufen die Ergotherapie-Stunden ab?
Anne Katrin S.: Wir, in unserem Bereich, schauen, welche Ressourcen die Patientinnen und Patienten haben, wo die Probleme liegen und unterstützen sie dann dabei, ihre Fähigkeiten durch gestalterische Techniken auszubauen. Mit einer Patientin habe ich beispielsweise gemeinsam einen Rock genäht, das hat sie sich gewünscht. Wir haben zusammen in Büchern und im Internet recherchiert, wie das funktioniert und uns dann an die Arbeit gemacht. Ein anderer Kollege hat mal mit einem Patienten ein Kanu aus Holz gebaut – da gibt es ganz viele kreative Möglichkeiten. Ein Falsch gibt es dabei nicht. Das Wichtige ist, dass die Kinder mit ihren Resultaten zufrieden sind.
Elvira B.: Die Kinder entscheiden also selbst, was sie machen, was sie gestalten wollen. Gemeinsam schauen wir dann, wie sie ihr Vorhaben und ihre Ideen umsetzen können.
Was bewirkt die Ergotherapie?
Elvira B.: Die Patienten haben durch den Freiraum die Möglichkeit, ganz viel auszuprobieren. Oftmals entdecken sie dadurch auch erst bestimmte Fähigkeiten für sich. Sie lernen, mit Frust umzugehen, wenn etwas mal nicht sofort klappt. Und wenn sie Fortschritte mit ihren Projekten machen, sind das natürlich schöne Erfolgsmomente, die das Selbstbewusstsein stärken.
Anne Katrin S.: Auch die Konzentrationsfähigkeit wird dabei gefördert, genauso wie Ausdauer oder soziale Kompetenzen.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit besonders gut?
Anne Katrin S.: Ich finde es so schön, dass man eine Basis findet, Kindern und Jugendlichen zu helfen, ohne selbst alles in die Hand zu nehmen. Man zeigt den Patienten, wie sie etwas schaffen können und begleitet sie dabei. Hier an der Klinik arbeitet man dabei außerdem ganzheitlich – man steht interdisziplinär in einem ständigen Austausch. Das finde ich sehr wichtig.
Was sind die größten Herausforderungen?
Elvira B.: Man muss sehr anpassungsfähig sein und schauen, wie man die Patienten erreicht. Man weiß im Vorfeld nie, wie es ihnen geht, in welchem Gemütszustand sie sich gerade befinden. Jedes Kind, jeder Patient ist individuell, man muss sich immer wieder auf neue Patienten und Situationen einstellen und wird so auch immer wieder neu gefordert. Das macht den Job aber sehr abwechslungsreich und spannend.
Anne Katrin S.: Herausfordernd ist es auch, sich zurückzunehmen und eine gewisse Balance zu finden, sich zu sagen: Ich lasse den Patienten das erst einmal ausprobieren und zeige ihm nicht, wie er es besser machen kann, erst einmal schauen, ob er selbst einen Lösungsweg findet oder auch von sich aus nach Hilfe fragt. Die Kinder sollen möglichst eigene Strategien entwickeln, daran wachsen sie.
Sind Sie denn privat auch gerne kreativ tätig?
Anne Katrin S. Das kommt darauf an, wie man Kreativität definiert. Ich würde schon sagen, dass ich ein kreativer Mensch bin. Das bedeutet aber nicht, dass ich gerne bastele oder male. Es geht mehr um die Art der Handlung. Wenn ich eine Idee habe, mache ich einen Plan dazu, überlege, wie ich die Idee umsetzen kann und finde dann eine Lösung. Auch das ist meiner Meinung nach eine Form der Kreativität. Tatsächlich kommen viele Kinder und sagen im ersten Moment, sie seien nicht kreativ. Aber vordergründig geht es darum, sich zu helfen zu wissen, auszuprobieren und Wege zu finden.
Elvira Bondarenko: Das sehe ich genauso. Kreativität hat ganz viele verschiedene Facetten.